Bekommt jetzt jeder Bürger zeitnah eine Corona-Impfung? – Interview mit Hausarzt Dr. Heckel

Seit April dürfen die Hausärzte bundesweit gegen Corona impfen, anfangs bekamen aber nur bestimmte Personengruppen ihre Dosis. Anfang diesen Monats wurde die sogenannte Impfpriorisierung jedoch aufgehoben, sodass sich theoretisch nun jeder impfwillige Bürger spritzen lassen kann. Aber funktioniert das System auch in der Praxis? Wir haben bei dem Margetshöchheimer Hausarzt Dr. Matthias Heckel nachgefragt.

Frage: Anfang Juni wurde die Impfpriorisierung offiziell beendet. Wie hoch ist seither die Nachfrage nach Corona-Impfungen in Ihrer Praxis?

Dr. Heckel: Im Grunde hat sich kaum was verändert. Seit die Impfpriorisierung Anfang Juni aufgehoben wurde, haben wir in Bezug auf das Patientenaufkommen und den Beratungsbedarf kaum einen Unterschied zu vorher.

Frage: Wie hoch ist denn das Patientenaufkommen bezüglich der Impfung?

Dr. Heckel: Wir impfen pro Woche circa 200 Menschen. Allein am vergangenen Samstag haben wir 121 Impfdosen verabreicht. Die Samstage haben wir schon von Anfang an als Impftage eingeführt, um den Zusatzaufwand zu koordinieren. Aktuell möchten viele eine Impfung haben, gerade vor dem Urlaub.

Frage: Welchen Zusatzaufwand verursachen die Impfungen für Ihre Praxis?

Dr. Heckel: Der zusätzliche Aufwand nebenher ist schon hoch. Wir haben kein zusätzliches Personal. Die Telefonleitungen sind den ganzen Tag besetzt. In der Praxis sind drei Leute den ganzen Tag nur am Telefon. Sie koordinieren die Impfungen und beraten die Patienten. Bei circa 60-70% aller Anrufe geht es um die Corona-Impfung, und wenn Patienten Beratungsbedarf haben, dreht es sich da auch in 60-70% der Fälle um Fragen zur Impfung. Schwierig ist zudem, die Impfungen für die Urlaubszeit vorauszuplanen, wenn unsere Praxis geringer besetzt ist. Die Impfabstände müssen ja eingehalten werden. Deswegen impfen wir hauptsächlich samstags und so viel wie möglich

Frage: Kann sich jetzt wirklich jeder, der möchte, zeitnah gegen Corona impfen lassen?

Dr. Heckel: Ganz so einfach ist es nicht. Wir versuchen immer noch zu priorisieren und noch Listen abzuarbeiten mit den Risikogruppen. Bei der Impfung mit BioNTech dauert es bei den Risikogruppen etwas länger, weil der Impfstoff knapp ist.

Frage: Wie sieht es mit der Impfung von Kindern und Jugendlichen aus?

Dr. Heckel: Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren impfen wir nur, wenn diese wegen einer chronischen Krankheit ein hohes Risiko haben. Eine Impfung unter 16 Jahren wird von der Ständigen Impfkommission StIKo nicht empfohlen. Eine Impfung dieser jungen Menschen ist medizinisch nicht begründbar; deshalb lassen wir uns noch Zeit damit. Für Kinder und Jugendliche ist außerdem nur BioNTech/Pfizer zugelassen, an dem es gerade mangelt.

Frage: Welche Impfstoffe haben Sie in Ihrer Praxis vorrätig?

Dr. Heckel: Welchen und wieviel Impfstoff wir bekommen, entscheidet nach wie vor die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KV), die wöchentlich zuteilt. Bestellt wird dann über die Apotheke. Was von der Bestellung letztlich ankommt, sehen wir aber immer erst am Montag, wenn die Lieferung da ist. Bei BioNTech herrscht Mangel, weil der Impfstoff für die Zweitimpfungen gebraucht wird und alle Impfzentren, Fach- und Betriebsärzte fast nur BioNTech bekommen. Wir haben letzte Woche von dem Impfstoff genau drei Fläschchen gekriegt – für jeden Arzt in der Praxis eine (lacht). Das waren insgesamt 18 Impfdosen. Von dem Einmal-impfstoff von Johnson & Johnson haben wir ausreichend bekommen und allein am vergangenen Samstag circa 80 Dosen verimpft. Von AstraZeneca haben wir aktuell rund 500 Impfdosen da, das ist gut zu kriegen. Und es hält sich bei sachgerechter Lagerung 6 Monate.

Frage: Gibt es Favoriten-Impfstoffe bei den Patienten?

Dr. Heckel: Die meisten favorisieren BioNTech, aber das ist eben schwer zu bekommen. Momentan ist aber auch Johnson & Johnson beliebt, gerade bei den Jüngeren, weil man da nur eine Spritze braucht.

Frage: Mittlerweile haben Sie mehrere Monate Erfahrung mit den verschiedenen Impfstoffen. Wie sieht es mit Nebenwirkungen aus?

Dr. Heckel: Wir haben seit dem 1. April bisher rund 1.350 Erstimpfungen verabreicht. Bei der ersten Spritze mit AstraZeneca oder Johnson & Johnson haben die Leute regelmäßig für 1-3 Tage grippeähnliche Symptome. Auch beim BioNTech-Impfstoff ist sowas typisch. Ernste oder schwere Impfreaktionen haben wir bisher noch in keinem einzigen Fall beobachtet.