Häcksel statt Hecken - warum in der Flur so rigoros gerodet wurde

Nahe der Steigstraße und in der Sandflur wurde Mitte März großflächig gerodet, statt Hecken blieben größtenteils nur Häcksel übrig. Das sorgte bei vielen BürgerInnen für Unmut. Auf Nachfrage erklären Experten aber, dass die Maßnahmen ökologisch sinnvoll waren - auch wenn sie dramatisch aussehen.

Mitte März hat der Würzburger Landschaftspflegeverband (LPV) in der Margetshöchheimer Flur größtenteils auf privaten Flächen im Gebiet Häslach (nahe Obere Steigstraße) sowie in einer Streuobstwiese in der Sandflur großflächig gerodet. Viele Hecken und Gehölzstrukturen wurden so stark freigeschnitten, dass die Gebiete beinahe einem Offenland glichen. Obwohl Hecken und Gehölze wichtige Lebensräume für verschiedenste Tierarten darstellen, sei die Maßnahme jedoch auf jeden Fall richtig und ökologisch sinnvoll gewesen, meint der Landschaftspflegeverband auf Nachfrage. Das sieht auch der Geschäftsführer der Margetshöchheimer Streuobst-Genossenschaft, Krischan Cords, so. Er gilt als Experte in Sachen ökologischer Flächenbewirtschaftung.

Kurz gesagt ging es bei den Rodungsarbeiten um die Reaktivierung alter Streuobst-Bestände. Streuobstwiesen zählen zum UNESCO-Weltkulturerbe und gehören zu den wertvollsten Biotopen in Deutschland, denn sie sind artenreich wie kaum ein anderer Lebensraum (siehe auch Blog-Archiv https://www.margetshoechheim-blog.de/natur-umwelt/131-warum-streuobstwiesen-so-wertvoll-sind-%C3%BCber-artenvielfalt,-bio-landbau-und-historische-obstsorten). Damit Streuobstflächen nicht nur attraktiv, sondern auch gesund und ertragreich wachsen, müssen die Bäume und die Wiesen aber fachgerecht gepflegt werden. "Gut gepflegte Streuobstwiesen zählen mit ihrer Vielfalt zu den artenreichsten Biotopen, die wir in Mitteleuropa haben", erläutert Krischan Cords von der Main-Streuobst-Bienen eG. Dieser Artenreichtum entsteht allerdings nur, indem eine Verbuschung der Landschaft verhindert wird. Bei einer Verbuschung nehme der Artenreichtum stark ab, sagt Cords. Auch in den Hecken und Gehölzstrukturen sei ein großer Artenreichtum nur dann gegeben, wenn diese relativ schmal bleiben: "Wenn die Hecken zu breit werden, hat man da vielleicht nur noch Hartriegel und vielleicht ein paar Wildschweine drin". Zudem sei es vor Allem der Strukturreichtum, der in der Streuobst-Wiese für wertvolle Lebensräume sorge. Die drei unterschiedlichen "Etagen" aus niedrig wachsenden Gräsern bzw. Blühstauden (Krautsaum), Hecken bzw. Gehölzen sowie den großen Bäumen bieten ideale Bedingungen für verschiedenste Insekten, Vögel, Kleintiere und Wild. Am artenreichsten sei allerdings der Krautsaum, stellt Cords klar.

Zu den großflächigen Hecken-Rodungen im Frühjahr erklärt der Landschaftspflegeverband auf Nachfrage, dass es bei den Rodungsarbeiten insbesondere darum ging, alte Biotop-Bäume wieder freizustellen: "Die Freistellarbeiten wurden vom LPV im Rahmen einer mit der Naturschutzbehörde abgestimmten und geförderten Landschaftspflegemaßnahme durchgeführt mit dem Ziel der Reaktivierung alter Streuobstbestände", so der Verband. "Solche alten Streuobstbestände mit einem beträchtlichen Totholzanteil bieten Lebensraum für zahlreiche spezialisierte Arten der Wildbienen, Fledermäuse und Vögel und nehmen einen hohen ökologischen Stellenwert ein, den Neuanlagen erst nach mehreren Jahrzehnten erreichen." Eine Reaktivierung der alten Streuobstbestände in Margetshöchheim sei eine seltene Gelegenheit gewesen, diese wertvollen Strukturen in einem kurzfristigen Zeitraum im öffentlichen Interesse zu sichern, so der LPV. Der Verband betont aber, dass die Maßnahmen nicht zu einem vollständigen Verlust von anderen wertvollen Lebensräumen wie Hecken und Gehölzstrukturen führen sollen. Um diesen "naturschutzfachlichen Zielkonflikt" zu mindern, habe es seitens der Naturschutzbehörde Auflagen gegeben, dass die Hecken- und Gehölzstrukturen partiell erhalten bleiben. Zudem sei mit entsprechenden Vorgaben sowohl bei der Planung als auch bei der Bewilligung berücksichtigt worden, dass in der näheren Umgebung weiterhin Hecken bzw. verbuschte Bereiche als Rückzugsmöglichkeiten für Tiere vorhanden sind. Zudem wurde in Bereichen, in denen die Gehölze wieder hochkommen sollen, nur Einzelentnahmen gemacht oder auf den Stock gesetzt, insbesondere im südwestlichen Teil im Häslach, so der Verband. Allerdings räumt der LPV auch ein, "dass bei der Umsetzung in Teilbereichen die fachlichen Vorgaben (z.B. Erhalt von Gehölzinseln) leider nicht vollständig eingehalten wurden."

Nichtsdestotrotz hätten die Rodungsarbeiten einen hohen ökologischen Stellenwert, wie der Landschaftspflegeverband deutlich macht: "Die Fläche in der Flurlage „Steinmauer-Häslach“ war überwiegend mit Hartriegel bewachsen. Vor der Umsetzung der Maßnahme wurden die Argumente, die dafür bzw. dagegen sprechen, diskutiert. Grund für die Maßnahme war einerseits, Pflanzflächen für Obstbäume zu schaffen. Andererseits sollen offene, besonnte Flächen zur Verfügung stehen, auf denen sich eine artenreiche Krautflora entwickeln kann. Damit steht Lebensraum für blütenbesuchende Insekten bereit. Diese wiederum sind Nahrungsgrundlage der Vögel. Von großer Bedeutung für die Artenvielfalt in der mainfränkischen Kulturlandschaft ist eine mosaikartige Verteilung von Hecken, Gebüschen, gepflegten Streuobstbeständen mit Nachpflanzungen, Wiesen und Weiden in der Flur. Der Landschaftspflegeverband hat einkalkuliert, dass auf entbuschten Flächen keine Nistmöglichkeiten für gehölzbrütende Vögel mehr vorhanden sind. In der Umgebung stehen ausreichend Ausweichlebensräume mit passenden Bedingungen zu Verfügung. Die Entbuschung hat keine nachteiligen Auswirkungen auf die Vogelwelt. Es ist verständlich, dass kurz nach Abschluss einer solchen Maßnahme das Gelände einen eher abweisenden Eindruck macht. Mit Beginn der Vegetationsperiode wird sich das Erscheinungsbild verbessern."

Auf Kritik stieß bei den Rodungen im Häslach auch, dass jede Menge Schnittgut liegenblieb, das aus Sicht mancher BürgerInnen bei Starkregen zum Risiko für die darunterliegenden Straßen hätte werden können. Dazu erklärt der LPV auf Nachfrage: "Es wurden ca. 3 Tonnen Häckselgut abgefahren. Die Fläche komplett zu räumen, wäre mit einem unverhältnismäßig hohen finanziellen Aufwand verbunden gewesen. Aus naturschutzfachlicher Sicht sind die verbleibenden Reste unproblematisch. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass das noch vorhandene Häckselgut bei Regen auf unterhalb liegende Straßen gespült wird."

Wie oben ausgeführt war das Ziel der Pflegemaßnahme, die Bereiche großflächig zu Gunsten von Streuobst freizustellen. Die Pflege von Grundstücken im Interesse des Naturschutzes erfolge unabhängig von der jeweiligen Eigentümerstellung. Dazu sagt der Landschaftspflegeverband: "Wie die meisten Grundstücke befinden sich auch naturschutzfachlich wertvolle Bereiche in privater Hand. Die Umsetzung der im öffentlichen Interesse liegenden Pflege-und Entwicklungsmaßnahmen erfolgt grundlegend mit Zustimmung des jeweiligen Eigentümers. Maßgebend für die Pflege ist allerdings das öffentliche und nicht das private Interesse." Und: "Die Schaffung oder Reaktivierung neuer Lebensräume geht meist zu Lasten anderer vorhandener Strukturen. Im Rahmen der Planung und des Förderverfahrens erfolgt eine Abwägung dieser naturschutzfachlichen Zielkonflikte, um einen möglichst hohen Strukturreichtum zu erreichen." In den vergangenen Jahren hatte der Landschaftspflegeverband in Erlabrunn bereits ähnliche Pflegemaßnahmen durchgeführt, aus demselben Gründen.

Um die alten Streuobst-Flächen zu reaktivieren, hat der LPV im März besonders im Gebiet Häslach großflächig gerodet. Die Maßnahme wurde mit der Naturschutzbehörde abgesprochen und gefördert. (Foto: Tina Göpfert)
Auch wenn es auf den ersten Blick grotesk erscheinen mag, fördert die Freistellung der alten Bäume den Artenreichtum. (Foto: Tina Göpfert)