Bebauung am Zeilweg: es wird einen Bürgerentscheid geben - und ein Ratsbegehren vom Gemeinderat

Mit Spannung wurde die gestrige Gemeinderatssitzung erwartet, in der es um die Zulassung des Bürgerbegehrens gegen eine Bebauung am Zeilweg ging. Bürgermeister Waldemar Brohm (CSU), der maßgeblich zur Wiederbelebung der Streuobst-Kultur in Margetshöchheim beigetragen hat, konnte aus persönlichen Gründen nicht teilnehmen. Zweiter Bürgermeister Norbert Götz (CSU) vertrat ihn. Im Vorfeld der Sitzung geriet die sogenannte formelle und materiell-rechtliche Prüfung zur Zitterpartie: binnen 4 Wochen musste entschieden werden, allerdings befanden sich zwischenzeitlich etliche mit dem Vorgang Betraute für 14 Tage in Quarantäne. Denkbar knapp kam das Fazit über die Zulässigkeit aus dem zuständigen Landratsamt: wenige Stunden vor der Sitzung. Wie sehr das Thema die Bürger bewegt, zeigte sich an der ungewöhnlich großen Zahl an Zuhörern in der Sitzung. Die nötigen formellen Kriterien hat das Bürgerbegehren nach Aussage von Verwaltungschef Roger Horn spielend erfüllt: eine mit "Ja" oder "Nein" beantwortbare Frage, eine hinreichende Begründung oder die erforderliche Anzahl an Unterschriften. 10% oder 257 Wahlberechtigte hätten zustimmen müssen - unterschrieben haben 568 Margetshöchheimer.

Die sogenannte materiell-rechtliche Prüfung war indes komplex und schwierig; wie Horn mitteilte, auch in der zuständigen Rechtsaufsicht im Landratsamt. Knackpunkt sind die Eigentumsverhältnisse der betreffenden Flächen im Zeilweggebiet: Ein Großteil gehört der Gemeinde, aber ein Flurstück befindet sich in Privatbesitz. Bei der gemeindlichen ersten materiell-rechtlichen Prüfung kam der Verwaltungschef zu dem Schluss, dass das Bürgerbegehren unzulässig sei, weil es auf ein Bauverbot des gesamten Bereichs abziele. Dies wäre angesichts des Privatgrundstücks aber als enteignender Eingriff zu werten und damit verfassungsrechtlich unzulässig. In seiner Begründung schreibt Horn: "Der Antrag auf Bürgerentscheid enthält drei Forderungen:
1) Freihaltung der Fläche 2315/3 bis 2331/1 von Bebauung
2) Erhaltung dieser Fläche in naturnahem Zustand
3) keine Veräußerung von Gemeindeflächen aus diesem Bereich." (...)

Die Rechtsaufsicht war sich nicht einig, ob das Bürgerbegehren zulässig ist

"Allerdings befindet sich in dem Wirkungsbereich des Bürgerbegehrens auch die private Eigentumsfläche Fl.Nr. 2323/2, die ebenso von dem angestrebten Bauverbot betroffen wäre. Es ist für die Gemeinde rechtlich nicht möglich und auch nicht zulässig, für ein privates Grundstück, welches die Voraussetzungen für eine Bebauung erfüllt, ein Bauverbot festzusetzen.(...). Enteignende Eingriffe in das Eigentum sind nur unter besonderen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen zulässig. Eine Enteignung ist nach Art 14 Abs. 3 Satz 2 GG nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig." Und: "Bei Berücksichtigung der Begründung wird einem unbefangenen Betrachter der Eindruck vermittelt, erst durch die Änderung des Flächennutzungsplanes könne ein Bauvorhaben im genannten Gebiet realisiert werden. Dies ist, wie bereits ausgeführt jedoch nicht der Fall. Der rechtsgültige Flächennutzungsplan weist dieses Gebiet schon seit über 40 Jahren als Wohnbaufläche aus. (...)" Dieser Argumentation zur Ablehnung des Bürgerbegehrens folgte zunächst auch das Landratsamt. Bei einer zweiten Prüfung durch einen Vertreter entschied das Amt allerdings konträr für die Zulassung: "Aus der Begründung (des Bürgerbegehrens; Anm. d. Red.) ergibt sich, dass das Bürgerbegehren auf eine Verhinderung des derzeit auf einer Teilfläche der o. g. Grundstücke geplanten Bauvorhabens (Errichtung von Bürogebäuden und Stellplätzen) abzielt. Eine dafür notwendige Änderung des Flächennutzungsplans soll nicht durchgeführt und die gemeindeeigenen Grundstücke sollen nicht verkauft werden. Um auch zukünftig diesen Bereich von einer Bebauung freizuhalten und einen naturnahen Zustand zu erhalten, soll deshalb eine Grundsatzentscheidung getroffen werden. Mit welchen Mitteln die Gemeinde dieses Ziel erreichen soll, bleibt den Gemeindeorganen überlassen. Da das Bürgerbegehren diesbezüglich keine Aussagen trifft, führt das dazu, dass die von der Gemeinde erhobenen Bedenken eben nicht greifen (...). Das Bürgerbegehren ist damit auch materiell-rechtlich zulässig."

Zustimmung zum Bürgerentscheid als Mittel der Demokratie

Die Gemeinderäte taten sich mit der unterschiedlichen Bewertung der komplexen Sachlage schwer. Dennoch stimmten sie der Zulassung des Bürgerbegehrens einstimmig zu, weil man es als Mittel demokratischer Willensbildung anerkennen wolle. Christine Haupt-Kreutzer von der SPD/UB-Fraktion hofft allerdings, dass der Entscheid die Bürger danach nicht in Sieger und Verlierer spaltet und fair und respektvoll weitergemacht werde. Die in der Sitzung anwesenden Initiator*innen zeigten sich sehr erfreut über die hohe Zahl an Unterschriften und die Zulassung zum Bürgerentscheid. Brigitte Muth-von-Hinten, Vorsitzende der hiesigen Ortsgruppe und eine der drei Inittiator*innen, sagte, der Bund Naturschutz Margetshöchheim unterstütze das Begehren, weil man in der geplanten Bebauung ein großes Risiko für das Trinkwasser sehe, ohne Not eine naturnahe Fläche versiegelt werde und nach Alternativen nicht ernsthaft gesucht worden sei. Im Altort gebe es genügend Potenzial, erläutert Muth-von-Hinten auf Nachfrage. Auch Klaus Freitag, ebenfalls Verantwortlicher beim Bürgerbegehren, nahm in der Sitzung Stellung. Auf Ablehnung stoße insbesondere auch der beschlossene - aber bis heute nicht vollzogene - Grundstücksverkauf an einen örtlichen Ingenieur zur Errichtung eines Bürogebäudes, "weil der Verkaufsbeschluss ohne Planungssicherheit für die Realisierung des Streuobstzentrums erfolgte" und weil es sich "um das letzte gemeindeeigene Grundstück handelt, mit dem die Entwicklung des Ortes gesteuert werden kann." Künftigen Generationen würden damit Entscheidungsspielräume genommen. Die Gemeinderäte verzichteten auf Erwiderungen ihrerseits, um "keine Grundsatzdiskussionen aufzumachen", wie Bürgermeister Götz einwandte.

Ratsbegehren soll Bürgern die Entscheidung für eine Bebauung am Zeilweg ermöglichen

Im Anschluß brachte der Gemeinderat gegen die Stimmen der Margetshöchheimer Mitte (MM) ein Ratsbegehren auf den Weg. Die Fragestellung lautet:

"Sind Sie dafür, dass das Gelände am Zeilweg mit den Flurnummern 2315/2 bis 2330/2 im Randbereich an der Heinrich-Böll Straße nur mit ca. 1/3 der Fläche mit einem Streuobstzentrum und einem Bürogebäude bebaut wird und ca. 2/3 der Fläche dauerhaft als Grünfläche mit hochwertigen Obstbäumen am nördlichen Ortseingang verbleiben?"

Begründung:

Die Flächen an der Einfahrt ins Zeilweggebiet, mit dem Streuobstbestand als naturnahem Ortseingang, sind ideal für die Entstehung eines Streuobstinformationszentrums. Klares Ziel der Gemeinde ist es, Margetshöchheimer Traditionen zum Obstanbau zu pflegen, zu erhalten und weiter zu entwickeln, diese aber auch für zukünftige Generationen zu bewahren. Dazu gehört die Sensibilisierung durch Bildung in diesem Bereich, aber auch die Verarbeitung der Früchte und Pflege der Baumbestände vor Ort.

Nachdem nun alle zuständigen Fachbehörden, insbesondere unter Beachtung des Baurechts, des Natuschutzrechts und der Belange des Trinkwasserschutzes dem Streuobstzentrum und einem Bürogebäude an der Heinrich-Böll Straße ihre Zustimmung erteilt haben, können hier nun weitere Schritte zur Realisierung dieser beiden Vorhaben erfolgen.

Sehr deutlich auch vom Landratsamt klargestellt ist, dass ausschließlich diese beiden genannten Vorhaben verwirklicht werden könnten. Die restliche Fläche, über ca. 2/3 der benannten Fläche, bleibt unbebaut und wird durch Obstbäume und wertvolle Hecken ergänzt und aufgewertet.


Das Bürogebäude wird von einem ortsansässigen Bürger errichtet und betrieben. Es hat seinen Sitz bereits in Margetshöchheim, der Betreiber ist hier verwurzelt und möchte mit seinem Ingenieurbüro gerne in unserem Ort bleiben. Das Bürogebäude wird wohngebäudeähnlichen Charakter haben und selbstverständlich alle Auflagen, die sich aus wasser- und naturschutzrechtlicher Sicht ergeben können erfüllen. Es werden so ortsnahe Arbeitsplätze geschaffen."

Fraktionsvorsiztender Simon Haupt (CSU) erklärte: "Das Bürgerbegehren ist ein Mittel der Demokratie. Aber auch ein Ratsbegehren, das dagegen gestellt wird, ist ein Mittel der Demokratie". Innerhalb der nächsten 3 Monate werden Bürgerentscheid und Ratsbegehren auf einem gemeinsamen Stimmzettel zur Abstimmung gebracht, dann entscheiden die Margetshöchheimer Bürger*innen über die Zukunft der Streuobstwiese am Ortseingang Zeilweg.