Mehr als 30 Jahre lang – von 1991 bis Januar 2022 - arbeitete Roger Horn als Verwaltungsleiter der Gemeinde Margetshöchheim. Es war ein Abschied mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Was ein Verwaltungschef so macht und wie sich seine Arbeit in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat, lesen Sie im Interview.
Frage: Herr Horn, im Dezember nahmen Sie an Ihrer letzten Gemeinderatssitzung teil, im Januar sind Sie nach über 30 Dienstjahren offiziell als Verwaltungsleiter der Gemeinde ausgeschieden. Wie sind Sie damals nach Margetshöchheim gekommen?
Roger Horn: Ich war ab 1986 in der Berufsförderung der Bundeswehr in Würzburg tätig. Wegen fehlender Perspektiven und der unattraktiven Bezahlung habe ich mich nach etwas Neuem umgesehen und bin per Bewerbung in der Margetshöchheimer Verwaltung gelandet. Damals hatte ich kommunalpolitisch null Erfahrung, aber mein Amtsvorgänger Günther Stock stand mir mit Rat und Tat zur Seite. Ich konnte mir alle Kenntnisse, auch die rechtlichen, mit Pragmatismus und zahlreichen Schulungen aneignen.
Frage: Wie war die politische Situation zu Ihrer Anfangszeit in Margetshöchheim?
Roger Horn: Es gab Anfang der 90er Jahre eine enge Zusammenarbeit zwischen der SPD mit Bürgermeister Günther Stock und der MM mit Peter Etthöfer. Da wurde zusammen viel bewegt – das Wasserschutzgebiet, Entschädigungen für die Landwirte usw. In den Folgejahren gab es viele schwierige Themen; bei der Erhebung von Ergänzungsbeiträgen für Regenüberlaufbecken standen z.B. im Rathaus Schlangen von Beschwerdeführern bis hoch zum Treppenaufgang! Das war eine Herausforderung.
Frage: Verwaltung hört sich immer so abstrakt an. Wie sieht ein klassischer Arbeitstag als Gemeindechef so aus?
Roger Horn: In der Bau- und Hauptverwaltung hat man mit den unterschiedlichsten Dingen zu tun. Man erarbeitet Vereinbarungen, Verträge, Projekte wie die Altortsanierung, dazu kommen natürlich die Sitzungsvorbereitungen und dann das breite Feld des ganzen Lebens: Hundehaltung, Verkehr, Beurkundungen und Bauverträge, Bebauungspläne und so weiter. Darüber hinaus auch organisatorische Dinge wie Datenschutz, Tarifrecht, die Feuerwehr oder Nachbarstreitigkeiten. Man lernt in dem Job unheimlich viel fürs Leben und die unterschiedlichsten Menschen in ihrem Verhalten kennen.
Frage: Sie hatten kurz nach der Wende in der Gemeinde angefangen und sind nach über 30 Dienstjahren ein richtig „alter Hase“. Wie hat sich die Verwaltung in den vergangenen Jahrzehnten verändert?
Roger Horn: Die Arbeit hat sich komplett verändert. 1991 waren alle Informationen vorgefiltert, insbesondere zum Beispiel die Mitteilungen vom Landratsamt oder von übergeordneten Behörden. Die Verarbeitungsgeschwindigkeit war langsamer, aber dafür zielgerichteter. Heute bekommt man z.B. über automatisierte Verteiler jede Menge Mails über Sachen, mit denen man gar nichts zu tun hat. Die rechtlichen Vorgaben wachsen zunehmend, es sind immer mehr Anforderungen zu berücksichtigen, aber die Verfahren sind nicht kürzer geworden.
Frage: Was genau meinen Sie damit?
Roger Horn: Zum Beispiel das Baurecht wird immer komplexer. Heute braucht es häufig verschiedene Genehmigungen auch für kleine Bauvorhaben, alle Rechtsgebiete müssen berücksichtigt werden. Ich würde die Reform des Baurechts nicht als gelungen bezeichnen. Generell kann ich keine Entbürokratisierung erkennen. Aufgaben sind immer spezifischer und es braucht immer mehr Personal, um dem noch Herr zu werden. Oft kommen jährlich, manchmal sogar monatlich neue Vorgaben oder Förderprogramme. Jegliche Verfahren auf rein kommunaler Ebene gehen eigentlich sehr schnell – nur werden die Verfahren durch zunehmende Restriktionen und Belange immer komplexer. Auch Ausschreibungsverfahren sind extrem komplex geworden. Die Informationstechnologie hat es nicht einfacher gemacht. Die gewonnene Schnelligkeit wird durch steigende Aufgaben wieder aufgehoben. Wir haben eine zunehmende Regelungswut in Deutschland.
Ein Beispiel: in meinen ersten Jahren als Verwaltungschef wurde die Bauleitplanung im Landratsamt mit dem Kreisbaumeister durchgeführt. Das war eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, Dinge waren nachvollziehbar. Jetzt hat man ständig wechselnde Mitarbeiter bei steigenden Anforderungen, die Kontinuität leidet, man weiß oft nicht mehr, wo es im Ergebnis hin geht.
Auch das Verhalten der Bürger ist heute anders. Der Gemeinsinn geht verloren, oft sind Eigeninteressen vorrangig. Teilweise wurden da zum Beispiel private Interessen verfolgt und Argumente mit Schlagworten wie Umwelt und Landschaftsschutz vor den Karren gespannt. Früher ist man, glaube ich, ehrlicher miteinander umgegangen.
Frage: Bei Ihrer letzten Gemeinderatssitzung im Dezember wurden Sie von allen Fraktionen als umsichtiger „Fels in der Brandung“ gelobt. Hat Ihnen die Arbeit trotz der veränderten Bedingungen in den letzten Jahren noch Spaß gemacht?
Roger Horn: Ob die Arbeit Spaß macht oder nicht, hängt auch zu einem großen Teil von der Zusammensetzung des Gremiums ab (der Gemeinderat; Anm. d. Red). Es ist frustrierend, wenn Projekte immer wieder mit Kleinigkeiten torpediert werden. Ehrlich gesagt bin ich jetzt nach über 30 Jahren schon ein Stück weit froh, mich aus diesen Dauerkämpfen zu verabschieden. Veränderung ist in Margetshöchheim ein ganz hartes und schwieriges Thema. Aber auf der anderen Seite machte die Arbeit auch viel Spaß. Meine MitarbeiterInnen werde ich vermissen. Die Margetshöchheimer Verwaltung hat ein tolles Team, das sich im Landkreis einen besonders guten Ruf erarbeitet hat.
Frage: Konnten Sie in Margetshöchheim etwas erreichen, das Ihnen als Verwaltungschef besonders am Herzen lag?
Roger Horn: Ja, mein Steckenpferd war die Altortsanierung. Ich wohne ja selbst in einem denkmalgeschützten Haus und habe auch ein altes Haus in Margetshöchheim saniert. Die Fördermittel waren viel Arbeit, aber es freut mich sehr, dass ich dazu beigetragen habe, dass Margetshöchheim ein richtig schöner Ort geworden und „echt“ geblieben ist. Fast alle Gebäude, die erhaltenswert waren, konnten bewahrt werden. Das ist sehr gelungen. Als Verwaltungsleiter hätte ich gerne noch miterlebt, wie der neue Mainsteg und die Mainlände fertig werden, da hängen wir ja schon lange dran. Aber jetzt im Ruhestand kann ich meine Hobbys auskosten, da freue ich mich richtig drauf.