Nachgehakt: was Margetshöchheimer Betriebe in Landwirtschaft und Handwerk zu den Bauernprotesten sagen

In ganz Deutschland gehen die Bauern aus Protest gegen die Sparpläne der Ampel-Regierung auf die Barrikaden, nun solidarisiert sich auch der Mittelstand. Für den 19. Januar ruft der Zentralverband deutsches Handwerk zu einer Protestaktion auf. Wir haben nachgefragt, was Margetshöchheimer Betriebe zu den Protesten der Bauern und Handwerker sagen.

In ganz Deutschland gehen die Bauern aus Protest gegen die angekündigten Kürzungen beim Agrar-Diesel und der KFZ-Steuer (die inzwischen teilweise revidiert wurden) auf die Barrikaden. Markige Parolen wie "Wir werden nicht regiert, sondern ruiniert" zeigen, wie sehr es unter der Oberfläche brodelt. Zusammen mit den Bauern protestieren die Spediteure gegen die Erhöhung der CO2-Bepreisung und die Einführung einer Maut für Nutzfahrzeuge über 3,5 t (sog. "Handwerksfahrten" ausgenommen) auf Autobahnen und Bundesstraßen ab Juli 2024. Die Lebensmittelhandwerker und Gastronomen wehren sich gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer für Speisen zum Direktverzehr. Nun solidarisieren sich auch die Handwerker: der Zentralverband deutsches Handwerk hat alle Betriebe aufgerufen, bei einem bundesweiten Aktionstag am 19. Januar für 10 Minuten die Arbeit niederzulegen, um vor dem Betrieb sichtbar für "spürbare Entlastungsperspektiven" zu demonstrieren. Laut Fachverband Metall Bayern herrsche bei vielen Betrieben und Beschäftigten "der begründete Eindruck: Die zahlreichen Probleme im Land werden von der Politik nicht angepackt – von spürbarem Bürokratieabbau bis zur Behebung der Bildungsmisere. Bereits beschlossene Punkte werden nicht konsequent umgesetzt, etwa das 14-Punkte-Maßnahmenpaket zur Baukrise. Es fehlt an politischer Planbarkeit und Verlässlichkeit für unternehmerische Zukunftsentscheidungen."

Wie steht es um die Landwirtschaft und das Handwerk in Deutschland? Hier ein paar Fakten:

In Deutschland gibt es rund 2,6 Millionen kleine und mittlere Betriebe (= Betriebe bis 250 Beschäftigte; der sogenannte Mittelstand), das entspricht 99,56 % aller Unternehmen im Land (Statistik von 2021). Zum Vergleich: Frankreich hat rund 2,9 Millionen, Italien rund 3,5 Millionen kleine bis mittlere Betriebe. Über 18 Millionen der rund 46 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland arbeiten in mittelständischen Unternehmen. Davon sind rund 5,7 Millionen Beschäftigte in den etwa 1 Mio. Handwerksbetrieben tätig und rund eine Million Beschäftigte in der landwirtschaftlichen Erzeugung. Der Landwirtschaft macht das sogenannte "Höfesterben" zu schaffen: gab es 1995 noch rund 587.000 landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland, waren es 2022 nur noch 256.000. Bis zum Jahr 2040 wird die Anzahl nach neuesten Prognosen auf etwa 100.000 zusammenschrumpfen. Im gleichen Zeitraum wird sich die durchschnittliche Betriebsgröße laut Berechnungen von derzeit knapp 65 Hektar auf 160 Hektar mehr als verdoppeln. Auch das Lebensmittelhandwerk hat mit Betriebsaufgaben zu kämpfen - in den letzten zehn Jahren machten durchschnittlich 30 % aller Bäckereien und Metzgereien dicht.

Wie ist die Stimmung in Margetshöchheim? Die Blog-Redaktion konnte mit den InhaberInnen von zehn ansässigen Betrieben aus Landwirtschaft, Lebensmittelhandwerk und Handwerk über ihre Meinung zu den Bauernprotesten sprechen. Wir geben die Meinungen hier anonym wieder und zitieren nur als "Person" (die Namen sind der Redaktion natürlich bekannt).

Bis auf eine Person, die angibt, sich noch keine großen Gedanken über die Bauernproteste gemacht zu haben und den Ruf nach immer mehr Geld bzw. die allgemeine "Preistreiberei" nicht verstehen zu können, zeigen sich alle BetriebsinhaberInnen solidarisch mit den Protestierenden. Eine Person hat sich an den Protesten beteiligt, die übrigen Befragten unterstützen die Forderungen der Bauern und anderen Branchen ideell; viele sagen, dass sie gar keine Zeit hätten, um auf die Straße zu gehen. Zwei Personen unterstützen die Proteste, finden einige Parolen aber nicht nachvollziehbar; zwei Personen sagen, dass die Proteste nicht weit genug gehen und viel stärker ausgeweitet werden sollten. In den Gesprächen zeigte sich, dass fast bei allen Befragten ein tiefliegender Unmut über die gegebenen Rahmenbedingungen vorherrscht, sowohl bei den landwirtschaftlichen als auch bei den handwerklichen Betrieben. Etliche Befragte sagen, dass die Änderungen beim Agrar-Diesel und der KFZ-Steuer das Fass nun zum Überlaufen gebracht hätten, weil sich über die Jahre so vieles aufgestaut hat. Eine Person berichtet, dass sich die Mehrkosten für den Betrieb nach den ursprünglichen Ampel-Plänen auf etliche Tausend Euro im Jahr summieren würden. Eine Person berichtet, dass der Betrieb durch die geplanten Kürzungen 10-15 % des Umsatzes verlieren würde. Eine Person sagt über die Bauernproteste: "Wir hängen alle in einem Boot, die lange vernachlässigt wurden". Eine Person meint, man sei schon lange nicht mehr einverstanden mit dem, "was da in der EU und in Deutschland in der Politik läuft". Eine Person sagt: "Wir haben eine scheinheilige Politik. Probleme werden nicht gelöst, es wird nur vorgegaukelt".

Eine Person meint: "Unsicherheit treibt die Leute auf die Straße. Ich glaube, dass in den großen Bauernprotesten zum Ausdruck kommt, wie groß die Unsicherheit mit den allgemeinen Veränderungen ist, die in der Gesellschaft stattfinden". Dass nun die Subventionen für den Agrar-Diesel wegfallen sollen, sei "scheiße", denn die Bauern seien auf Subventionen angewiesen; zudem seien die LandwirtInnen mit vielen Ungewissheiten konfrontiert und mit Dingen, die nicht kalkulierbar sind, etwa dem Klimawandel. Zugleich brauche es aber eine Transformation der Landwirtschaft. Die Agrarpolitik müsse "weg von der größtmöglichen Flächenausschlachtung hin zu naturverträglicher Bewirtschaftung". Dafür müssten die gesamten Agrarsubventionen reformiert werden und die Politik müsse unterbinden, dass Spekulanten und Konzerne große Flächen aufkaufen und so die Preise für landwirtschaftliche Flächen für kleine Betriebe "absurd nach oben treiben". "Der Bauer ist gezwungen, günstig zu produzieren und wird so zum Sklave der Subventionen", meint eine Person. Mehrere Personen geben zu Bedenken, dass speziell die LandwirtInnen ein schwieriges wirtschaftliches Umfeld und ein enormes Arbeitspensum haben und als Kleinbetriebe in der Regel verhältnismäßig wenig Geld verdienen.

Eine Person meint, das Ziel der Bauernproteste sei "eine grundlegende Überarbeitung der Verteilung aller Gelder in allen Branchen" und kritisiert, warum nicht bei Geldern gekürzt wird, die ins Ausland fließen oder bei Politiker-Diäten oder dem gigantischen Verwaltungsapparat. Angesichts des dramatischen Höfesterbens spreche alles dafür, "dass in der Branche nicht genug Geld verdient" werde. Die Person appelliert aber auch an die VerbraucherInnen, die heimische Landwirtschaft direkt zu unterstützen, indem man regionale Erzeugnisse einkauft. Dieser Aufruf fällt tatsächlich in mehreren Gesprächen. Eine Person formuliert es so: "Am Besten unterstützt man die Bauern, indem man saisonal und regional einkauft." Es mache keinen Sinn, stattdessen Lebensmittel wie Fleisch aus Brasilien einzukaufen, weil das die Probleme nur verlagere, etwa mit den CO2-Emmissionen oder dem Tierwohl. So werde nur "schöngerechnet", dass die deutsche Landwirtschaft die CO2-Ziele eingehalten hat, weil hier Tierbestände abgebaut wurden. "Wir müssen langfristig denken und weitsichtig planen". Eine Person kritisiert, dass die direkte Konkurrenz aus dem Ausland viel günstiger produzieren kann und ausländische Lebensmittel "eigentlich mit Zöllen belegt" werden müssten. Die hiesigen LandwirtInnen stünden unter einem enormen Preisdruck, gleichzeitig sei es unter den jetzigen Rahmenbedingungen nicht möglich, den Preis zu erzielen, den sie bräuchten. Eine Person meint: "Die komplette Landwirtschaft geht seit 15 Jahren in die falsche Richtung mit dieser klassischen wirtschaftlichen Denke. Aus den Böden kannst du aber nicht endlos mehr rausholen, das ist begrenzt". Mehrere Personen meinen, dass es auch der Bevölkerung an Wertschätzung für die Bauern und die heimischen Erzeugnisse fehle, und auch an Wertschätzung für das Handwerk. Zudem fehle das Bewußtsein dafür, dass die LandwirtInnen auch die Kulturlandschaft hegen und pflegen.

Eine Person sagt: "Wenn wir unsere internen Strukturen kaputtmachen, stehen wir mit Vielem bald da wie mit dem Gas". Eine Person meint:" Unsere Landwirtschaft ist schon ziemlich kaputtgemacht worden und das Handwerk wird auch kaputtgemacht. Jedenfalls die kleinen Betriebe". Eine Person meint, dass das Geld im Betrieb fehle, weil neben der allgemeinen Teuerungsrate und den hohen Energiekosten von der Berufsgenossenschaft bis zum Verband alles immer kostspieliger werde: "Das viele Drumherum macht die Waren immer teurer". So gut wie alle Befragten nennen die Bürokratie als größten Frustfaktor und Kostentreiber in ihren Betrieben. Eine Person sagt:" Was dem Handwerk zusetzt, sind die Vorschriften und die Bürokratie". Eine Person meint, dass wertschöpfende Tätigkeiten generell abnähmen, während nicht-wertschöpfende Tätigkeiten wie Verwaltung und Kontrolle immer mehr zunähmen. Eine Person bezeichnet den bürokratischen Aufwand in ihrem Betrieb als "langsam irre". Eine Person berichtet, dass es ständig neue Vorschriften, Prüfungen und Dokumentationen zu erfüllen gebe, die die Unkosten in die Höhe treiben und ein solches Ausmaß erreicht hätten, "dass es für Kleinbetriebe fast nicht mehr machbar ist". Eine Person meint, "wenn du ein kleiner Betrieb bist, bist du nur noch mit so einer Verwaltungsscheiße beschäftigt." Eine Person berichtet, dass sich teilweise selbst die Sachbearbeiter mit den Dokumenten und Auflagen nicht mehr auskennen würden und beklagt "stupide Bürokratie statt gesundem Menschenverstand". Viele Befragte sagen, dass früher auch ohne die ganzen Vorschriften vernünftig und sicher gewirtschaftet wurde; sie wünschen sich mehr Eigenverantwortung für die Betriebe und Regelungen mit mehr Augenmaß. Probleme bereiten den LandwirtInnen wohl auch die Förderprogramme, da diese nur wenige Jahre Planungssicherheit bieten und die Zahlungen nicht garantiert werden (volle Prämien gibt es nur, solange der Fördertopf nicht ausgeschöpft ist). Zudem sei die Landwirtschaft sehr kapitalintensiv und müsse viele Risiken ausgleichen; beispielsweise kann das Betriebsergebnis landwirtschaftlicher Erzeugnisse je nach Erntejahr um 10-30 % schwanken, meint eine Person.

Auf die Frage, ob die Politik die Anliegen der Protestierenden verstanden habe, antworten alle Befragten mit nein. Eine Person kritisiert die "Scheinsolidarisierungen aus der Politik" mit den Bauernprotesten als Wahlkampfmanöver und Stimmenfang. Eine Person sagt: "Ich glaube nicht, dass die Politiker verstanden haben, worum es den Landwirten geht. Vom Bürotisch aus funktioniert das nicht." Eine Person sieht in den Bauernprotesten eine "Art Weckruf, sich mehr um die kleinen Betriebe zu kümmern. Bauern sind hoch subventioniert, aber andererseits auch unverzichtbar. Die Risiken sind hoch, wir haben den Klimawandel, unsichere Zeiten, politische Unsicherheit. Man braucht Perspektiven und Sicherheit auf lange Zeit. Man braucht Planbarkeit für Investitionen." "Landwirtschaft ist Leidenschaft und viel Idealismus", meint eine Person. Und fügt hinzu: "Die Höfe würden nicht aufhören, wenn so eine tolle Rendite dahinterstecken würde." Eine andere Person sagt: "Andere fahren ein paar Mal im Jahr in Urlaub, wir stecken jeden Euro in den Betrieb. Dafür am Ende nichts mehr in der Tasche haben? Jetzt ist dann irgendwann doch mal Schluss."

Als Zeichen ihres Protests hängen die Bauern derzeit ihre Gummistiefel "an den Nagel", kürzlich beispielweise am Margetshöchheimer Ortsschild Richtung Würzburg. (Symbolfoto: Tina Göpfert)