Trinkwasser: Teure Sanierungen im Leitungsnetz sollen hohe Wasserverluste minimieren

Seit einigen Jahren verzeichnet Margetshöchheim überraschend hohe Verlustmengen beim Trinkwasser; die genaue Ursache ist unklar. Aufwändige Sanierungen im Leitungsnetz bei Pumpen, Hochbehältern oder der Frankenstraße sollen die Wasserverluste künftig minimieren. Im nächsten Turnus ab 2025 steigen deshalb wohl die Wasserpreise.

In diesem Sommer konnte Margetshöchheim ein stolzes Jubiläum feiern: ganze 100 Jahre eigene Trinkwasserversorgung. Das eigene Leitungsnetz hat das Leben in der Gemeinde ab 1923 revolutioniert, die unabhängige Versorgung mit dem kostbaren Nass ist bis heute Gold wert. Abgesehen von teils hohen Nitratwerten hat Margetshöchheims Trinkwasser eine herausragende Qualität. Allerdings ist das nicht umsonst zu haben: Derzeit sind hohe Investitionen in das veraltete Leitungsnetz nötig. Pumpen, Hochbehälter und Straßen wie die Frankenstraße müssen umfassend saniert werden, um Margetshöchheims Trinkwasserversorgung leistungsfähig zu halten. Zusammengenommen kosten die Sanierungen einen niedrigen Millionenbetrag. Weil die Gemeinde rechtlich verpflichtet ist, Wasser und Abwasser kostendeckend zu betreiben, müssen die Kosten während der Abschreibungsdauer auf die VerbraucherInnen umgelegt werden. Die nächste 4-jährige Abrechnungsperiode beginnt 2025, dann werden wohl die Wasserpreise steigen - wie hoch genau, kann erst nach Abschluss der Sanierungsmaßnahmen errechnet werden. Kämmerer Bruno Hartmann bestätigt aber auf Nachfrage, dass es sicherlich zu einer Kostenerhöhung im Centbereich kommen werde. Der früher ernsthaft diskutierte Umstieg auf Fernwasser könnte die Probleme wohl auch nicht lösen: Laut Bürgermeister Waldemar Brohm müsste die Gemeinde trotzdem eine eigene Ersatzversorgung vorhalten, zudem würden die Preise für Fernwasser "durch die Decke" gehen.

Die pauschale Rechnung "Fördermenge minus verkaufte Menge ist gleich Wasserverlust" stimmt nicht, betont der Wassermeister

Durch die aufwändigen Sanierungen des Leitungsnetzes sollen auch die gestiegenen Verlustmengen beim Trinkwasser minimiert werden. Die sogenannten Wasserverluste steigen seit 2016 an. Demnach gingen im Jahr 2020 rund 41.000 Kubikmeter verloren, ein Jahr später waren es bereits über 51.000 und mittlerweile sind es circa 60.000 Kubikmeter im Jahr. Damit stiegen die rechnerischen Wasserverluste beim Trinkwasser von den bisher ortsüblichen 10-15 % auf über 20 %. Die Zahlen sind allerdings mit großer Vorsicht zu genießen, denn sie geben nicht die realen Wasserverluste wieder. Die für das Leitungsnetz in Margetshöchheim zuständige Betriebsführung Energie Lohr-Karlstadt GmbH hat die Problematik bereits im Gemeinderat erörtert. "Das Thema ist kompliziert, aber man kann nicht sagen, dass die Leitungsverluste in Margetshöchheim außergewöhnlich hoch wären", erklärt Wassermeister Elmar Knorz auf Nachfrage. Weil exakte Berechnungen anhand der Leitungsdimensionierungen und anderer Parameter extrem aufwändig und teuer wären, berechnen Kommunen ihre Wasserverlustmengen standardmäßig mit der einfachen Faustformel "Fördermenge minus verkaufte Menge ist gleich Wasserverlust". 2022 wurden in Margetshöchheim 180.000 Kubikmeter gefördert, davon 120.000 verkauft (d.h. über Zähler erfasst), es landeten also pauschal gesagt 60.000 Kubikmeter im Nirwana. Diese Zahl entspricht aber keinesfalls dem tatsächlichen Wasserverlust, betont der Experte Knorz: "Man kann diese Rechnung so nicht aufstellen. Was dabei herauskommt, ist nicht aussagekräftig." Denn in diesem pauschalen Endergebnis sind auch geförderte Wassermengen enthalten, die nicht über Zähler laufen und trotzdem keine Wasserverluste darstellen: beispielsweise Entnahmen durch die Feuerwehr, Kanalspülungen, Füllmengen für Hochbehälter oder Zisternen und anderes mehr. Gibt es in einem Jahr beispielsweise viele Brände zu löschen, können viele Kubikmeter zusammenkommen, die in der geförderten Menge, aber nicht in der verkauften Menge auftauchen. Im Ortsnetz sind nur wenige Hydranten mit Wasserzählern ausgerüstet, etwa der kürzlich neu errichtete Hydrant in der Gartenstraße. Auch falsche Angaben beim Ablesen der Wasseruhren können zu rechnerischen Wasserverlusten führen. Spätestens wenn die Eichfrist abgelaufen ist und der Zähler nach 6 Jahren ausgetauscht wird, stimmt die Erfassung dann aber wieder. Deshalb sprach sich der Gemeinderat heuer dagegen aus, die Wasserzähler für viel Geld von einem Unternehmen ablesen zu lassen. Im bayernweiten Vergleich steht Margetshöchheim  trotz gestiegener Verlustmengen übrigens nicht schlecht da: laut einer Statistik des Bayerischen Landesamtes für Umwelt geben 24,3 % der Wasserversorger im Freistaat Verluste von 5-10 % an, 26,6 % Verluste von 10-20 % und 13,6 % sogar Verluste von 20-50 % (Wasserverluste in Prozent der Netzeinspeisung; Erhebung aus dem Jahr 2018).

Es sprudelt unscheinbar aus dem Hahn und kaum einer macht sich Gedanken darum: hochwertiges Trinkwasser ist kostbar und nicht umsonst zu haben. (Foto: Tina Göpfert)

 

Der Fokus liegt auf Schleichverlusten

Im Gegensatz zu dem rein rechnerischen Delta geht bei echten Wasserverlusten tatsächlich Trinkwasser verloren. Sie kommen beispielsweise durch Wasserrohrbrüche zustande, und von denen gab es in der Vergangenheit etliche in Margetshöchheim. Wie Daniel Biermann vom Technischen Bauamt der Gemeinde mitteilt, liegt die technische Lebensdauer von Wasserleitungen bei etwa 50 Jahren, demzufolge ist das Margetshöchheimer Leitungsnetz in mehreren Wohngebieten veraltet. Deutlich wurde das beispielsweise bei dem großen Wasserrohrbruch 2022 in der Frankenstraße, wo die alte Graugussleitung ihren Geist aufgab. Allein 2022 gab es fünf Rohrbrüche in Margetshöchheim. Bei einem solchen Schadensfall können leicht Zigtausende Liter Wasser ausströmen. Zudem kann ein Rohr auch schon vor dem endgültigen Bruch leck gewesen sein, sodass kontinuierlich Trinkwasser verloren ging. Die Verlustmengen durch solche Lecks lassen sich nicht genau beziffern, sagt Elmar Knorz. In der Fachsprache werden sie "Schleichmengen" genannt. Wassermeister Knorz geht davon aus, dass es in Margetshöchheim viele Schleichverluste gibt. Am anfälligsten für Leckagen sind Hausanschlüsse sowie technische Komponenten wie Schieber und generell alte Leitungen. Lecks werden oft erst erkannt, wenn Wasser im Kanal rauscht oder sich Pfützen bilden. Für die Undichtigkeiten gilt: Je höher der Wasserverbrauch der BürgerInnen ist, desto höher fallen auch die Wasserverluste durch Schleichmengen aus. Somit können beispielsweise auch heiße, trockene Jahre mit steigendem Wasserverbrauch zu höheren Wasserverlustmengen führen. Selbstverständlich werde das Margetshöchheimer Leitungsnetz kontinuierlich überwacht, versichert der Wassermeister. Besonders aussagekräftig sind dabei die Nachtmessungen. Das Margetshöchheimer Leitungsnetz ist in zwei "Ortsteile" aufgeteilt - die Hochzone oberhalb der St 2300 und die Niederzone unterhalb der Staatsstraße. Während in der Hochzone ein extrem niedriger Nachtverbrauch gemessen wurde (0,4 m3), hat die Niederzone einen sehr hohen Durchsatz (5,8 m3). Da in der Niederzone viele Leitungen im Grundwasserbereich liegen, können Leckagen oder Rohrbrüche dort aber kaum lokalisiert werden. Derzeit lägen die Ergebnisse der Nachtmessungen so, dass keine aktuellen Maßnahmen zu ergreifen seien, meint Fachmann Knorz. Falls es Auffälligkeiten gebe, werde die Gemeinde sofort informiert und man beginne umgehend mit einer Rohrdurchsuche. Manche Rohrbrüche könnten nur so aufgespürt werden, erklärt der Experte. Sowohl die Gemeinde als auch der Experte von der technischen Betriebsführung rechnen fest damit, dass die Wasserverluste durch die Sanierungen im Leitungsnetz sinken werden. "Sie können davon ausgehen, dass jede Sanierung oder Auswechselung etwas bringt und Schleichmengen reduziert", meint Elmar Knorz.

Den Rohrbrüchen gehen oft unbemerkte Leckagen voraus, die zu schleichenden Wasserverlusten führen. (Grafik: Gemeinde Margetshöchheim)

 

Im Leitungsnetz stehen umfassende Sanierungen an

Einer der größten Brocken wird die Sanierung der Frankenstraße. Die Baumaßnahme soll bis Juni 2024 abgeschlossen sein. Das Leitungsnetz wird auf rund 350 Metern Länge komplett erneuert, inklusive aller Hausanschlüsse. Zudem soll gleich eine Anbindung für das geplante Baugebiet Scheckert-Lausrain realisiert werden. Der Gemeinderat hatte nach vielen Beratungen und Vor-Ort-Einsichten außerdem  beschlossen, dass die Fahrbahndecke sowie der Gehweg erneuert werden. Der kostspielige Straßenunterbau soll nur partiell saniert werden, wo es nötig ist. Bürgermeister Waldemar Brohm (CSU) informierte in der Bürgerversammlung darüber, dass die aufwändige Sanierung "leider nicht ohne Einschränkungen" für die AnwohnerInnen vonstatten gehen könne und bat um Verständnis. Die Baumaßnahme kostet insgesamt circa 800.000 Euro.

Die Sanierung der Frankenstraße kostet viel Geld, ist aber dringend nötig. (Grafik: Gemeinde Margetshöchheim)

 

Kostspielig ist auch die Sanierung der Hochbehälter von Hochzone und Niederzone in der Oberen Steigstraße. Dort wurde ab Juni diesen Jahres auf rund 400 Metern Länge die Verrohrung ausgetauscht und durch einen zweiten Leitungsweg zwischen den Hochbehältern ergänzt, um stehendes Wasser und damit die Verkeimungsgefahr zu verhindern. "Wir haben das Vorhaben im Gemeinderat lange diskutiert, 450.000 Euro gibt man nicht einfach so her. Dennoch ist die Maßnahme ein wichtiger Schritt für die eigene Wasserversorgung", erklärte Bürgermeister Brohm in der Bürgerversammlung. Beide Hochbehälter haben je zwei Wasserkammern und speichern zusammen 8.000 Liter Trinkwasser. Eine Kammer hatte Probleme mit Verkeimungen, deshalb wurden auch die Böden, die Beschichtungen und die Technik erneuert. Experten hatten die umfassende Sanierungsmaßnahme empfohlen. Aufgrund von Lieferproblemen bei technischen Komponenten verzögerte sich die Baustelle um einige Wochen bis November; die Obere Steigstraße ist inzwischen wieder befahrbar.

Die kostspielige Erneuerung und Optimierung der Leitungswege bei den Hochbehältern ist inzwischen abgeschlossen. (Grafik: Gemeinde Margetshöchheim)

 

Auch im Brunnenhäuschen in der Wasserschutzzone Sandflur werden die Pumpen erneuert und durch eine dritte Pumpe ergänzt. Zudem wird die Verrohrung im Keller erneuert. Durch die neue Technik wird die Versorgung effizienter und sicherer, zudem kann mehr Strom aus der Photovoltaikanlage auf dem Dach des Brunnenhäuschens genutzt werden. Die Baukosten liegen bei knapp 80.000 Euro.

Das Pumpwerk in der Sandflur ist in die Jahre gekommen und muss saniert werden. (Grafik: Gemeinde Margetshöchheim)

 

2024 soll der Ringschluss der Trinkwasserhauptleitung zwischen Birkachstraße und Rosenstraße erneuert werden, zudem steht in der Schmiedsgasse eine Kanalsanierung an. Künftig will sich der Gemeinderat außerdem mit der Erneuerung der Leitungen vom Brunnenhäuschen Sandflur zum Ortsnetz beschäftigen. Dort ist noch eine alte Asbestleitung verbaut. Laut Gutachten und der Aussage von Fachleuten, darunter auch dem Trinkwasserbeauftragten Peter Etthöfer, belegen Untersuchungen, dass die Leitung keine Schäden aufweist und somit auch keine Gefahr von dem Material für das Trinkwasser ausgeht. Die Installationen sollen aber erneuert werden, bevor es altersbedingt zu Problemen kommt. Die Gemeinde sei sich bewusst, welch hohes Gut die eigene Trinkwasserversorgung darstelle, sagt der Bürgermeister. "Wir haben die Pflicht, alles zu tun, um mit den eigenen Ressourcen zurechtzukommen", meinte Brohm in der Bürgerversammlung. Er lobte in dem Zusammenhang ausdrücklich auch den Margetshöchheimer Trinkwasserbeauftragten Peter Etthöfer, der sich seit vielen Jahren ein umfangreiches Fachwissen erarbeitet hat und sich mit großem persönlichen Einsatz für den Schutz der eigenen Trinkwasserversorgung engagiert.