Am Sonntag, den 19. Januar zelebrierten Hunderte Menschen das Ende des Ludwig-Volk-Stegs mit einer letzten Überquerung und Abschiedsparties am Fuß der Brücke. Am Montag, den 20. Januar wurde der alte Mainsteg dann endgültig gesperrt und wird nun abgerissen. Der Abbruch soll bis Ende Juni durch sein.
Es war ein emotionaler Abschied vom Mainsteg im Altort: am Sonntag, den 19. Januar versammelten sich bei eisigen Temperaturen und schönster Wintersonne viele Hundert Menschen, um dem alten Ludwig-Volk-Steg die letzte Ehre zu erweisen. Unzählige Margetshöchheimer und Veitshöchheimer, aber auch Besucher aus umliegenden Gemeinden und der Stadt nutzten die Gelegenheit, um ein letztes Mal den Steg zu überqueren oder bei kleinen Abschiedsparties am Fuß der Brücke nochmal auf das liebgewonnene Bauwerk anzustoßen. Viele Margetshöchheimer blickten der anstehenden Sperrung und dem Abriss mit einer gewissen Wehmut entgegen. Davon zeugten nicht nur das "Adieu"-Banner am Brückenaufgang und die vielen roten Luftballons am Geländer, die der mainART-Kulturverein angebracht hatte - etliche Bürger stellten auch Grablichter auf der Brücke auf, die den alten Steg bis zur endgültigen Sperrung am nächsten Morgen melancholisch erleuchteten. Manche zündeten auch Wunderkerzen an, andere schwenkten Taschenlampen oder Feuerzeuge, und am Abend wurde eine allerletzte Rakete von der Mitte der Brücke aus in den Nachthimmel geschossen. Vom Mainufer unter dem Steg erschallte den ganzen Abend lang immer wieder "Time to say goodbye".
1967 mit Spenden von Margetshöchheims Bürgern erbaut
Der emotionale Abschied verwundert kaum - schließlich gehörte der alte Mainsteg jahrzehntelang zu den prägendsten Bauwerken im Altort. Der Ludwig-Volk-Steg wurde 1967 erbaut und verband das Dorf nun fast 58 Jahre lang mit dem Veitshöchheimer Ufer. Die Umstände, die zur Erbauung der Brücke führten, waren etwas kurios. Bis in die 1960er Jahre gab es in Margetshöchheim nur einen Fährbetrieb zur Überquerung des Mains. Ein Margetshöchheimer berichtet, dass der Fährer die Fenster seiner Wohnung offenließ und auf Zuruf hinunter kam, selbst wenn nur eine einzelne Person für 50 Pfennige ans andere Ufer gebracht werden wollte. Der Fährbetrieb wurde von einem privaten Unternehmen aus Veitshöchheim ausgeführt, und als dieses laut Zeitzeugen plötzlich und ohne Vorwarnung den Betrieb einstellte, beschlossen die Margetshöchheimer, dass nun endlich eine Brücke her sollte.
Die Gemeinde Margetshöchheim unter dem damaligen Bürgermeister Ludwig Volk war Baulastträgerin und finanzierte das Bauvorhaben - weil das Geld der Gemeinde jedoch knapp war, wurde die Margetshöchheimer Bevölkerung zu Spenden für die Brücke aufgerufen. Gerüchteweise sollen dabei über 100.000 D-Mark zusammengekommen sein, und auch die Veitshöchheimer Gewerbetreibenden sollen angesichts des potentiellen Kundenzuwachses rund 70.000 D-Mark gespendet haben. Ob heute noch Bürger für die Errichtung einer Brücke in ihrem Heimatort Geld spenden würden? Und noch etwas wäre heute undenkbar: der Ludwig-Volk-Steg wurde samt Vorbereitung, Planung und Bau innerhalb von nur 18 Monaten fertiggestellt und am 24. Juli 1967, dem Margaretenfest-Montag, feierlich eröffnet. "Das wäre heute nicht mehr möglich", erzählt Bürgermeister Waldemar Brohm auf Nachfrage: "Für den Steg-Bau reichten 2 Ordner, heute wären es mindestens 20." 1967 brauchte es weder Baugrundgutachten noch Umweltverträglichkeitsprüfungen, und die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung saß auch noch nicht mit im Boot. "Um eine Fußgängerbrücke zu errichten, bräuchten wir heute - wenn alles zügig läuft und es keine Diskussionen um den Standort gäbe - mindestens 4 Jahre. Allein für Planung und Konzept 1 Jahr, für das Genehmigungsverfahren 1 Jahr und für die Bauzeit 2 Jahre", erläutert er.
Der Ludwig-Volk-Steg ist eine Brückenkonstruktion aus Stahl und Beton. Ein Gutachten ergab 2006, dass der alte Mainsteg einem Schiffsanprall mit heutigen Personen- und Frachtschiffen nicht standhalten würde; damals wurden 257 Brücken an Main und Donau untersucht, demnach bestand bei 158 Brücken Handlungsbedarf. Zudem wäre der Steg stark sanierungsbedürftig gewesen, eine Sanierung wäre wohl teurer geworden als ein Ersatzneubau. Die Gemeinden Margetshöchheim als Baulastträgerin und Veitshöchheim einigten sich nach langer Diskussion schließlich auf die Errichtung des Höchheimer Mainstegs zwischen Sportzentrum und Mainfrankensälen; die neue Brücke wurde nach langer Verzögerung im November 2024 für den Verkehr freigegeben.
Der Höchheimer Mainsteg wird am 3. Mai 2025 offiziell feierlich eröffnet. Alle Bürger sind herzlich eingeladen.
Nun beginnt der Rückbau
Der alte Ludwig-Volk-Steg ist seit dem 20. Januar endgültig gesperrt und wird nun zurückgebaut. Die Sperrung erfolgte morgens um 7:45 Uhr durch die Baufirma Lührs GmbH, die den Abbruch durchführen wird. Veitshöchheims Bürgermeister Jürgen Götz war kurz nach dem Fototermin zur Sperrung der letzte Fußgänger, der den alten Mainsteg überquert hat. Jetzt wird die marode Brücke Stück für Stück abgerissen:
Der Steg ist 248 Meter lang und 2,5 Meter breit. Er hat in Längsrichtung einen dreifeldrigen Durchlaufträger mit Stützweiten von 42,5 Meter in den beiden Randfeldern und 62,5 Meter im mittleren Feld. Er wird von zwei im Main stehenden Stahlbetonpfeilern getragen. Die Vorlandbrücken sind jeweils auf zwei runden Stahlbetonstützen gelagert. Am Übergang zur Hauptbrücke befinden sich rechteckige Trennpfeiler aus Stahlbeton.
Zu den ersten Abbrucharbeiten gehören die Demontage der Geländer und das Abfräsen des Brückenbelags. Zudem müssen Stützen angebracht werden, um den Überbau demontieren zu können.
Laut Bauzeitenplan wird am 24. Februar 2025 der Überbau des alten Stegs vom Wasser aus rausgehoben.
Er wird mit Hilfe von Schwimmpontons mit einem Kran herausgehoben, dann verladen, mainaufwärts transportiert und an Land zerteilt, erklärt das Technische Bauamt. Dieser wahrscheinlich recht spektakuläre Teil des Rückbaus soll flott gehen und circa einen halben bis einen Tag dauern. Anschließend folgen Abbrucharbeiten an den Rampenaufgängen auf beiden Seiten des Mainufers.
Ab dem 12. März beginnen die Vorbereitungen für den Rückbau der im Wasser stehenden Pfeiler. Hierfür werden Spundwände in den Main eingetrieben, um die Pfeiler trockenzulegen und bis zum Grund des Mains abbauen zu können. Während der Schifffahrtssperre vom 24. März - 8. April erfolgt dann der eigentliche Rückbau. Dies wiederholt sich für den zweiten Pfeiler vom 12. Mai - 23. Mai.
Die Gemeinde hofft zudem, dass dann auch gleich der an Land stehende Pfeiler mit entfernt wird. Im Technischen Bauamt ist man nach den bisherigen Erfahrungen mit der Baufirma aber zuversichtlich, dass der Rückbau des alten Stegs zügig abgearbeitet wird. Wann die Bauarbeiten enden und die Sperrung in der Mainstraße aufgehoben werden kann, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht sagen. Der gesamte Abbruch des Stegs soll bis Juni erledigt sein. Durch eine Priorisierung zum Wohl der Gemeinde ist eine Fertigstellung der Arbeiten auf Margetshöchheimer Seite schon im Mai 2025 geplant. Die Gemeinde hofft, dass das Margaretenfest in gewohnter Form stattfinden kann. Ab dem Herbst soll in dem Areal außerdem der Bauabschnitt II der Mainlände zwischen Rathaus und Pointstraße umgebaut werden; losgehen soll es damit laut jetzigem Zeitplan im September 2025, die Bauzeit soll 18 Monate betragen.
Schönes, Trauriges und Kurioses hat sich am alten Mainsteg abgespielt
Derzeit ist es noch schwer vorstellbar, wie der Ortskern ohne den alten Mainsteg bald aussehen wird. Beinahe 58 Jahre lang verband die Brücke Margetshöchheim mit Veitshöchheim und bot zahllosen Bürgern die Möglichkeit, die Infrastruktur der großen Nachbargemeinde oder das Idyll vom Gartendorf am Main zu nutzen. Dabei hat die Brücke unzählige Begebenheiten "erlebt". Man ging über den Steg zum Spazieren, Feiern, Eisessen, Busfahren, Einkaufen oder zum Arztbesuch. Ganze Generationen von Kindern hüpften auf der Brücke herum, um sie zum Schwingen zu bringen.
Bei der Maibaumaufstellung, bei der MainART oder an Silvester versammelten sich oft Hunderte Menschen auf der Brücke. Beim Höchheimer Einigkeitsflohmarkt stöberten unzählige Besucher auf beiden Seiten des Stegs. Beim "Cup der guten Hoffnung" paddelten zahlreiche Teams in Schlauchbooten um die Stegpfeiler um die Wette. Im Sommer sprangen Wagemutige vom Steg in den Fluss, etwa beim Margaretenfest 2010. Wenn der Main zugefroren war, liefen die Margetshöchheimer bis zu den Pfeilern hinüber. Bei Margetshöchheims Bürgermeister fragten zahlreiche Brautpaare an, ob sie sich auf dem Steg trauen lassen können (was wegen deutscher Vorschriften natürlich nicht geht). Als zu Beginn noch keine Poller an den Rampenaufgängen installiert waren, fuhren Leute mit ihren kleinen Gogos, VWs oder Fiats über den Mainsteg. Ein Margetshöchheimer bretterte nach eigenem Bekunden sogar mit 120 Sachen mit dem Motorrad nachts über die Brücke und kriegte vor der Biegung gerade noch die Kurve. Ein Anwohner der Mainstraße entsorgte einmal seinen verstorbenen Hund über das Steg-Geländer.
Ein Margetshöchheimer berichtet, dass seine Kompanie damals bei der Bundeswehr nicht im Gleichschritt über den Steg laufen durfte, weil die Brücke sonst zu stark geschwankt hätte. Zu einem kirchlichen Anlass sollen sich einmal sehr viele Menschen auf dem Mainsteg versammelt haben, sodass die Brücke enorm schwankte und viele den Steg in Panik wieder verließen. Als noch Amerikaner in Würzburg stationiert waren, machten die GIs häufig ihren Dauerlauf über den Steg und sangen dabei wie im Film. Aus Veitshöchheim ist einmal ein 3-jähriges Mädchen von den Großeltern ausgebüxt und über den Steg bis in die Margaretenstraße gelaufen; eine Margetshöchheimerin hat das Kind mithilfe der Polizei wieder nach Hause gebracht.
Leider ereigneten sich auch zwei tragische Unglücke am alten Mainsteg. Im Jahr 1985 verunglückte ein Kind bei einem Verkehrsunfall vor dem Brückenaufgang in der Mainstraße. 2008 verunglückte ein Jugendlicher, als er vom Steg geschubst wurde.
Nicht nur für Menschen, sondern auch für Tiere war der Mainsteg ein verbindendes Element: Einem Margetshöchheimer begegneten auf dem Steg einmal drei Rehe, und auch ein Fuchs wurde auf der Brücke schon gesichtet. Am alten Mainsteg lebten zahlreiche Tiere, darunter Enten, Möwen, Kormorane, Reiher, Schwäne und Schwalben. An den Pfeilern soll ein großer Wels leben. Als es noch kein Insektensterben gab, tummelten sich zu bestimmten Zeiten riesige Schwärme von Florfliegen auf der Brücke. Unvergessen ist auch das Jahr 2006, als eine aufgeschreckte Wildschweinrotte im Veitshöchheimer Ortskern randalierte, über den Steg nach Margetshöchheim rannte und im Altort für Aufruhr sorgte.
Die schönste (und wahre!) Geschichte ist wohl diese: an Heiligabend 1984 trafen sich eine Margetshöchheimerin und ein Oberdürrbacher in der Mitte des Ludwig-Volk-Stegs, um sich das Eheversprechen zu geben. Die beiden steckten sich die Verlobungsringe auf der Brücke an. Mittlerweile leben die beiden seit Jahrzehnten in Margetshöchheim und sind immer noch verheiratet - die Ehe hält also länger als die Brücke!
Wir sind gespannt, welche (hoffentlich schönen) Geschichten sich auf dem neuen Höchheimer Mainsteg zutragen werden... Adieu Ludwig-Volk-Steg!
(Alle Fotos: Tina Göpfert)







Am Abend ertönte am alten Mainsteg immer wieder "Time to say goodbye".


Viele können sich noch nicht vorstellen, wie der Altort ohne den alten Steg aussehen wird.


Am Morgen des 20. Januar um 7:45 Uhr wurde der Ludwig-Volk-Steg endgültig gesperrt. Bürgermeister Norbert Götz, Stephan Haas von der Segelkameradschaft, Veitshöchheims Bürgermeister Jürgen Götz, Margetshöchheims Bürgermeister Waldemar Brohm und Landtagsabgeordneter Björn Jungbauer begleiteten die Sperrung mit einem letzten Fototermin.

