Warum Frauen auch in der Kommunalpolitik unterrepräsentiert sind - Gleichstellungsbeauftragte sucht nach Antworten

In den politischen Gremien der Kommunen sieht es in puncto Gleichstellung der Geschlechter aus wie in den meisten Chefetagen: Frauen sind deutlich in der Minderheit. Im Landkreis Würzburg ist das nicht anders. Margetshöchheim sticht dabei im Vergleich zu den meisten Gremien mit einer Frauenquote von 37,5% positiv heraus. Aber warum ist die Kommunalpolitik generell von Männern dominiert?

Das möchte Carmen Schiller, seit August 2018 Kommunale Gleichstellungsbeauftragte des Landratsamts Würzburg, gerne herausfinden. Nach den Kommunalwahlen im März stellte sie sich in allen 52 Gemeinderäten des Landkreises vor; ihre "Tour" begann sie am 19. Juni mit der Gemeinderatssitzung in Margetshöchheim. 

Die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises, Carmen Schiller, wünscht sich Chancengleichheit. (Foto: Tina Göpfert)

Ein Schwerpunkt von Schillers Arbeit ist, Chancengerechtigkeit herzustellen und Nachteile zu beseitigen. Dabei ist sie nicht nur Ansprechpartnerin für Politiker*innen, sondern für alle Bürgerinnen und Bürger. Etwa auch bei häuslicher Gewalt oder Benachteiligung im Arbeitsleben. Mit Beratungen, Vorträgen, Workshops und Netzwerken will Schiller die Frauen ermutigen, ihnen den Rücken stärken und öffentlich für Gleichstellungs-Fragen sensibilisieren. Gründe für die niedrige Frauenquote in der Kommunalpolitik wurden auch in der Margetshöchheimer Gemeinderatssitzung diskutiert. Bürgermeister Waldemar Brohm merkte an, dass es generell schwierig sei, Menschen für dieses fordernde Ehrenamt zu gewinnen. Zudem seien Frauen häufig stärker von äußeren Sachzwängen wie familiären Verpflichtungen betroffen. Und Frauen würden laut Brohm oft (zu) kritisch hinterfragen, ob sie als Gemeinderätin geeignet seien, weil sie den Anspruch hätten, ihre Sache richtig gut zu machen. Carmen Schiller hat eine Umfrage unter 1000 aktuellen sowie ehemaligen Kommunalpolitiker*innen des Landkreises gestartet. Geantwortet haben ihr nur 127 Personen, davon 81 Männer und 46 Frauen. Die Mehrheit der Befragten (77%) war über 40 Jahre alt. So ist die Umfrage nicht ganz repräsentativ, gibt aber trotzdem erhellende Einblicke.

Quelle: Carmen Schiller, Kommunale Gleichstellungsbeauftragte im Landkreis Würzburg.

Die Statistik ist sehr aufschlussreich: Von allen 52 Landkreisgemeinden sind in der aktuellen Legislaturperiode unter den ersten Bürgermeister*innen nur 8 Frauen - das entspricht 15%.  Dazu kommen 12 Frauen als 2. Bürgermeisterin (=23%). Von den 38 Gemeinden, die einen dritten Stellvertreter wählen, sind 8 Frauen als 3. Bürgermeisterin vertreten (21%). Etwas besser sieht es im Kreistag aus, dort sind von den 70 Kreisrät*innen immerhin 23 weiblich, das entspricht einem Frauenanteil von 33%. In den Gemeinderäten des Landkreises ist die Dominanz der Männer mit einem Anteil von knapp Drei Viertel überdeutlich - von den insgesamt 743 Gemeinderät*innen sind nur 195 Frauen, das entspricht 26%.

Woran liegt das, selbst im Jahr 2020? Carmen Schiller wollte etwa herausfinden, ob Frauen und Männer in politischen Ämtern anderen Herausforderungen gegenüberstehen, die die Ungleichheit begründen. Zudem möchte Schiller Anregungen aufnehmen, wie die Gleichstellungsstelle die Kommunalpolitiker*innen bestmöglich begleiten und unterstützen könnte und möglicherweise Gründe minimieren, die Kommunalpolitiker*innen dazu veranlassen, ihr Amt aufzugeben. Denn die Hälfte der 12 ehemaligen Kommunalpolitiker*innen nannte auf die Frage, warum sie im Jahr 2020 nicht mehr kandidiert haben, die "Vereinbarkeit von Beruf und Familie". Fast alle Befragten waren vor ihrer  Kandidatur gesellschaftlich engagiert, meistens in Vereinen. Doch auch bei der Vereinbarkeit von diesem Ehrenamt und Familie sahen sich 35% der Befragten mit Schwierigkeiten konfrontiert. Bemerkenswert ist allerdings, dass hier doppelt so viele Männer wie Frauen Schwierigkeiten mit der Vereinbarkeit sahen. Die Frage, ob es bei einer Kandidatur möglich sein sollte, auch den Geburtsnamen anzugeben, befürworteten 62%. Meistens sind es ja die Frauen, die bei einer Heirat ihren Namen ändern. Eine Befragte sagte: "Frauen, die ihren Namen ändern, haben schlechtere Chancen erkannt und gewählt zu werden." Die Zusammenarbeit mit Kolleg*innen im politischen Amt beurteilten die meisten als gut oder sehr gut. Und fast alle würden ihren Freund*innen eine Kandidatur weiterempfehlen. An der Freude im Amt kann es also kaum liegen, dass so wenige Frauen vertreten sind. Spannend war die Frage "Nach welchen Kriterien treffen Sie Ihre Wahlentscheidung?". Hier antworteten 36 Befragte mit 'Kompetenz', 35 mit 'Personenwahl' und 14 Befragte mit 'Frauen fördern'. Das Fazit der Gleichstellungsbeauftragten: "Weder Männer noch Frauen werden für kompetenter gehalten. Jedoch wird Männern höheres Engagement und größere Durchsetzungsfähigkeit zugeschrieben."