Dramatische Geldnot im Landkreis Würzburg - Bürger müssen sich auf Einschnitte einstellen

Der geplante Haushalt des Landkreises Würzburg weist für 2025 erneut ein enormes Defizit auf - rund 9,1 Millionen Euro müssen eingespart werden. Die angestrebte Erhöhung der Kreisumlage um 6,4 % bereitet den Gemeinden Bauchschmerzen. Auch die Bürger müssen sich auf Einschnitte einstellen. "Wir müssen jetzt schauen, was wir uns noch leisten können", sagt Landrat Eberth.

Sind die fetten Jahre jetzt vorbei? Dem Landkreis Würzburg stehen schwierige Zeiten bevor, denn die finanzielle Lage ist sehr angespannt. Im Haushalt für 2025, der noch nicht verabschiedet wurde, gilt es ein rund 9,1 Millionen Euro schweres Loch zu stopfen. Den Einnahmen in Höhe von rund 227,6 Millionen Euro stehen laut Kreiskämmerin Sabine Hümmer Ausgaben in Höhe von knapp 236,7 Millionen Euro gegenüber. Das auszugleichende Defizit von 9,1 Millionen Euro entspricht rund 3,8 % der jährlichen Gesamtausgaben des Landkreises Würzburg. Damit steht unvermeidlich ein harter Sparkurs bevor. Der Landkreis schreibt bereits seit 2020 rote Zahlen und ist wie die gesamte "kommunale Familie" nach Aussage von Landrat Thomas Eberth durch Bund und Länder "chronisch unterfinanziert". Es gebe trotz steigender Einnahmen schlicht ein Zuviel an Ausgaben.

Dem Landkreis droht die Haushaltssperre

In die geplanten Einnahmen von rund 227,6 Millionen Euro ist bereits die vorgesehene Erhöhung der Kreisumlage von 6,4 % auf dann 50,4 Prozentpunkte eingerechnet. Der Kreistag muss den Haushaltsentwurf noch beraten und im März verabschieden. In den vergangenen Jahren stimmte der Kreistag den vorgeschlagenen kostendeckenden Erhöhungen der Kreisumlage nicht in vollem Umfang zu, so entstanden Fehlbeträge in Millionenhöhe. Die Regierung von Unterfranken verlangt als Rechtsaufsichtsbehörde zwingend die Konsolidierung des Haushalts, andernfalls droht eine Haushaltssperre. Den 52 Landkreis-Gemeinden bereitet die angekündigte Steigerung der Kreisumlage jedoch erhebliche Bauchschmerzen.

Für die Gemeinde Margetshöchheim wäre die steigende Umlage ein ziemlich großer Brocken: sie würde im Gartendorf am Main zusätzliche Abgaben in Höhe von rund 200.000 Euro verursachen. Jeder Prozentpunkt Kreisumlage bedeutet für den Margetshöchheimer Haushalt etwa 30.000 Euro weniger in der Kasse. Am vergangenen Wochenende fanden die Beratungen der CSU-Kreistagsfraktion statt, an denen auch Margetshöchheims Bürgermeister Waldemar Brohm als Kreisrat teilnahm. Würde die Kreisumlage wie geplant auf 50,4 % steigen, würden demnach 23 von 52 Gemeinden im Landkreis in so große Geldnot kommen, dass sie dann selbst keinen genehmigungsfähigen Haushalt mehr vorlegen könnten. Die Landkreis-Verwaltung wurde deshalb aufgefordert, die Höhe der Kreisumlage zu überdenken und anderweitig Einsparpotentiale zu prüfen, berichtet Bürgermeister Brohm, der zugleich stellvertretender Landrat ist. Die Lage sei für den Landkreis als auch für die Gemeinden "ein Riesen-Dilemma", erklärt Brohm. Zumal man davon ausgehen müsse, dass auch in nächsten Jahren die Umlage steigen werde. "Für Margetshöchheim kommt die geplante Erhöhung der Kreisumlage jedenfalls zum ungünstigsten Zeitpunkt, da wir große Investitionen vor der Brust haben", meint der Bürgermeister.

Das Defizit der deutschen Kommunen summiert sich auf 17,3 Milliarden Euro

Die Kommunen in Deutschland leiden finanziell bereits in erheblichem Maß. Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) summierte sich das Defizit in den Kernhaushalten der Gemeinden und Gemeindeverbände in Deutschland im ersten Halbjahr 2024 auf 17,3 Milliarden Euro und hat sich damit binnen eines Jahres fast verdoppelt (2023: 8,2 Milliarden Euro). Der Grund ist einfach: der Einnahmenzuwachs konnte nicht mit dem starken Ausgabenwachstum Schritt halten. Treiber der Ausgaben waren vor allem die Sozialleistungen mit einem Plus von 12,5 % auf insgesamt 41,5 Milliarden Euro. Steigende Regelsätze bei der Sozialhilfe und dem Bürgergeld zum 1. Januar 2024 sowie die Reform der Kinder- und Jugendhilfe im Bereich Inklusion ließen diese Leistungen um 17,4 % auf rund 9 Milliarden Euro ansteigen. Im Bereich der Sozialausgaben nach dem SGB XII erhöhten sich die Ausgaben für Eingliederungshilfen um 15,1 % auf 11,2 Milliarden Euro, die Leistungen der Sozialhilfe stiegen um 11,3 % auf 10,3 Milliarden Euro. Auch die kommunalen Leistungen nach SGB II vor Allem für Unterkunft und Heizung kletterten um 7 % auf 7,5 Milliarden Euro. Leistungen der Kommunen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz summierten sich nahezu unverändert auf 1,9 Milliarden Euro. Die Ausgaben für Sozialleistungen wuchsen also deutlich an und es ist angesichts der schwächelnden Konjunktur derzeit nicht davon auszugehen, dass sich daran in naher Zukunft etwas ändern wird.

"Es ist klar, dass die Gemeinden nervös werden", sagt der Landrat

Dem Landkreis bleiben keine großen Alternativen zur Erhöhung der Kreisumlage, denn er hat keine eigenen Steuereinnahmen, sondern finanziert sich per Gesetz über die Umlage. Sie macht mit rund 106 Millionen Euro den mit Abstand größten Einnahme-Posten aus, gefolgt von den Schlüsselzuweisungen des Freistaats mit rund 37 Millionen Euro. Und der Landkreis wäre in guter Gesellschaft: so gut wie alle umliegenden Landkreise wollen die Umlage heuer erhöhen. Dem Landrat ist klar, dass die Gemeinden "nervös werden", weil die Kreisumlage steigt, während die schwindende wirtschaftliche Prosperität in Form von niedrigeren Steuereinnahmen durchschlägt. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten sinkt die Umlagekraft der Gemeinden im Landkreis Würzburg. Die Steuereinnahmen der 52 Kommunen liegen im Haushalt 2025 bei etwa 210 Millionen Euro, was im Vergleich zum Vorjahr (214 Mio. Euro) einem Minus von 1,7 % entspricht. Die Einkommenssteuer stagniert, der Anteil an Gewerbesteuer bricht in den Landkreis-Gemeinden sogar um rund 7 Millionen Euro ein. Und die wirtschaftlichen Aussichten sind alles andere als rosig. Hinzu kommt, dass der Landkreis Würzburg generell ein strukturelles Defizit hat und in puncto Steuereinnahmen immer unter dem unterfränkischen sowie dem bayernweiten Durchschnitt liegt.

Personalkosten haben sich in 10 Jahren verdoppelt

Gleichzeitig steigen die Ausgaben seit Jahren ununterbrochen an. Die Bezirksumlage, die der Landkreis an den Bezirk abführen muss, ist mit 42,1 Millionen Euro kalkuliert. Und alleine die Personalkosten (41 Mio. Euro) sowie die Kosten für Jugend und Soziales (79,5 Mio. Euro) summieren sich im geplanten Haushalt 2025 zusammen auf satte 120,5 Millionen Euro - das macht bereits knapp 51 % der Gesamtausgaben aus. Die Personalkosten haben sich innerhalb von 10 Jahren verdoppelt, von 20,2 Millionen Euro im Jahr 2015 auf voraussichtlich 40,9 Millionen Euro in 2025. Laut Landratsamt kommt der Anstieg durch immer mehr Aufgaben, hauptsächlich aber durch Tarifsteigerungen um insgesamt 11 % sowie Besoldungserhöhungen zustande. Auch die Migration spiele eine Rolle, etwa weil der Landkreis 2023 und 2024 beispielsweise 10 neue Notunterkünfte eingerichtet und Objektbetreuer eingestellt hat. Hinzu kämen im Zusammenhang mit der Migration außerdem Kosten für die Verwaltung oder Integration. Man könne diese indirekten Kosten jedoch nicht genau beziffern, berichtet das Landratsamt auf Nachfrage. Künftig soll es laut Landrat Thomas Eberth im Landkreis "möglichst keine Stellenmehrungen" geben.

Drastischer Anstieg bei den sozialen Hilfen

Bei den sozialen Hilfen stieg der Zuschussbedarf des Landkreises Würzburg für Leistungen nach SGB II und XII von rund 4,7 Millionen Euro binnen 10 Jahren auf geplante 7,5 Millionen Euro für 2025 an. Das Defizit für Leistungen nach SGB XII beträgt circa 2,2 Millionen Euro und für Leistungen nach SGB II rund 5,3 Millionen Euro. Der Zuschussbedarf beziffert die Leistungen, die der Landkreis bezahlt und nicht vollständig erstattet bekommt; im SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) sind das beispielsweise Hilfen zum Lebensunterhalt. Beim SGB II (Bürgergeld) bleiben am Landkreis beispielsweise Kosten für Unterkunft, Heizung, Bildung und Teilhabe hängen. Eine hohe Belastung ist in diesem Zusammenhang  außerdem der starke Anstieg der Mieten in den vergangenen Jahren; im Vergleich zu 2024 sind die Mieten laut Maklerportalen in Würzburg Land um fast 27 % gestiegen.

Auch die Migration schlägt sich in den sozialen Hilfen nieder, wie aus einer Anfrage der Blog-Redaktion an das Landratsamt Würzburg hervorgeht. Der Zuschussbedarf im Haushalt 2025 für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beträgt 1,1 Millionen Euro. Derzeit leben im Landkreis Würzburg 3.952 Geflüchtete (Anerkannte, Asylbewerber und Geduldete). Asylsuchende erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, anerkannte Geflüchtete haben Anspruch auf Bürgergeld. Von den Geflüchteten sind im Landkreis 1.810 Personen in behördlichen Unterkünften untergebracht; etwa 45 % dieser Personen sind sogenannte Fehlbeleger, die ausziehen könnten, aber keinen Wohnraum finden. Nach Angaben der Zentralen Ausländerbehörde auf eine Anfrage der Redaktion sind im Landkreis 313 Geflüchtete vollziehbar ausreisepflichtig (rund 8 %); 608 Asylsuchende sind nicht anerkannt, weil deren Asylverfahren noch läuft (rund 15 %). Die meisten Geflüchteten kommen aus der Ukraine (37 %), gefolgt von Afghanistan (23 %), Somalia (13 %), der Türkei (6 %), der Elfenbeinküste (6 %) und Syrien (5 %).

Kosten für die Jugendhilfe haben sich in 10 Jahren verdreifacht

Exorbitante Kostensteigerungen gibt es im Bereich der Jugendhilfe zu verzeichnen: hier hat sich der Zuschussbedarf des Landkreises von rund 8 Millionen Euro in 2015 auf nunmehr 24,8 Millionen Euro verdreifacht. Landrat Eberth führte beim Mediengespräch aus, dass sich alleine die Inobhutnahmen wegen Kindeswohlgefährdung seit 2020 ungefähr verdoppelt haben. Zudem nähmen die Kosten pro Fall zu. Hinzu kommen Gelder für mehr Schulsozialarbeiter, Schulbegleiter oder Familienhilfen auf kostant hohem Niveau. Teils sehe man leider "eine extreme Überforderung der Elternschaft", so Eberth. Man erlebe in der Jugendhilfe des Landkreises Würzburg sowohl eine Mehrung der Fallzahlen, als auch immer gravierendere Fälle.

Medizinische Versorgung, Pflege und Mobilität sind chronisch defizitär

Den Landkreis-Haushalt belasten außerdem die Dauer-Defizite von medizinischen und pflegerischen Versorgungseinrichtungen sowie das stetige Minus im ÖPNV. Diese Leistungen werden vom sogenannten Kommunalunternehmen des Landkreises Würzburg erbracht. Dem Landkreis werden auch in diesen Bereichen die Kosten von Land und Bund nicht voll erstattet. In Summe beträgt das Defizit rund 10,7 Millionen Euro. Davon entfallen etwa 5,6 Millionen Euro auf den ÖPNV, 4,2 Millionen Euro auf die Mainklinik, und 690.000 Euro auf die Pflegeversicherung. Eine Hoffnung liegt darauf, dass die roten Zahlen im Kommunalunternehmen künftig in den Griff zu kriegen sind. Landrat Thomas Eberth beklagte beim Mediengespräch, dass die Landkreise und die Kommunen von München und Berlin bisher nicht angemessen ausgestattet wurden, um die Finanzen auf regionaler Ebene auf eine solide Basis stellen zu können. Es fehle beispielsweise eine "vernünftige Klinikreform", eine Tarifautonomie im ÖPNV und die angemessene Vergütung von Leistungen, die der Landkreis erbringen soll. Man müsse sich unabhängig von der parteipolitischen Zugehörigkeit bei Land und Bund dringend "mehr Gehör verschaffen", so Eberth.

"Wir müssen jetzt schauen, was wir uns noch leisten können", sagt Landrat Eberth

Der Landkreis wird künftig nicht um harte Sparmaßnahmen herumkommen. "Die Konsolidierung unseres Haushalts ist mit drastischen Einschnitten für alle verbunden. Wir müssen jetzt miteinander schauen, was wir uns jährlich noch leisten können", sagt Landrat Eberth über die angespannte finanzielle Lage. Bis man wieder eine schwarze Null schreiben könne, werde es realistisch mehr als nur ein paar Jahre dauern. Deshalb sollen alle Beteiligungen an Zweckverbänden, am Kommunalunternehmen oder an Projekten sowie die Geschäftsbereiche des Landratsamtes auf den Prüfstand. Die Bürger müssen sich auf mögliche Einschnitte einstellen, etwa beim stark defizitären ÖPNV, bei freiwilligen Zuschüssen für Hilfsorganisationen, Kultur und Sport. Im Gespräch sind auch höhere Gebühren etwa für Schwimmbäder. Margetshöchheims Landtagsabgeordneter Björn Jungbauer ist als Kreisrat an den Haushaltsberatungen beteiligt und mahnte bereits Einsparpotentiale etwa beim Kommunalunternehmen an. "Wir müssen ein Kostenbewusstsein entwickeln, weil wir nicht mehr alles bezahlen können. Das muss für alles gelten. Und nicht nur für die Landkreise" erklärte der Landrat dazu beim Mediengespräch.

Das Landratsamt hat im Sommer 2024 eine Arbeitsgruppe einberufen, in der Mitglieder der Verwaltung und der Kreistagsfraktionen zusammen mit dem Landrat Vorschläge zur Konsolidierung des Landkreis-Haushalts erarbeitet haben. Heraus kam eine Liste mit 61 Vorschlägen für Kürzungen, mit denen das verbleibende Defizit in Höhe von 9,1 Millionen Euro ausgeglichen werden soll. Zu den geplanten Einsparungen gehören etwa Kürzungen bei der Entschädigung der 70 Kreisräte sowie im Budget in mehreren Bereichen der Verwaltung einschließlich der Mittel des Landrats. Zu den nennenswerten Einsparungen gehören laut Landrat Eberth auch Investitionen, die aufgeschoben werden. Wie bei den Kommunen wird auch der Haushalt des Landkreises von einer übergeordneten Rechtsaufsichtsbehörde überwacht - in diesem Fall ist das die Regierung von Unterfranken. Die Regierung hat bereits ein schlüssiges Konzept zur Konsolidierung der Landkreis-Finanzen für die gesamte Finanzierungsperiode bis 2028 angemahnt. Sollte dem Kreistag kein Defizit-Ausgleich und damit ein genehmigungsfähiger Haushalt gelingen, droht eine Haushaltssperre - dann wäre der Landkreis gezwungen, nicht zwingend nötige Ausgaben einzufrieren. Für die Verabschiedung des Haushalts im März sind demnach harte politische Entscheidungen und zusätzliche finanzielle Belastungen der Gemeinden zu erwarten.

 

Alleine die Ausgaben für Jugend und Soziales (blau) sowie Personal (rot) summieren sich beim Landkreis auf über 50 % des gesamten Haushaltsvolumens. Künftig muss drastisch gespart werden. (Grafik: Landratsamt Würzburg / Foto: Tina Göpfert)

 

Trotz des steigenden Haushaltsvolumens hat der Landkreis unter dem Strich nicht mehr Geld in der Tasche. (Grafik: Landratsamt Würzburg / Foto: Tina Göpfert)

 

 

Der Landkreis finanziert sich zum größten Teil aus den Abgaben der Landkreis-Gemeinden, der sogenannten Kreisumlage. (Grafik: Landratsamt Würzburg / Foto: Tina Göpfert)

 

 

Die Kosten für die Jugendhilfe sind in den vergangenen Jahren exorbitant angestiegen. (Grafik: Landratsamt Würzburg / Foto: Tina Göpfert)

 

 

Die Kosten für soziale Hilfen sind hoch. Die Einzahlungen beziffern die Erstattungen, die der Landkreis von Land und Bund bekommt; der Zuschussbedarf rechts beziffert das Defizit des Landkreises. (Grafik: Landratsamt Würzburg / Foto: Tina Göpfert)

 

Das Geld im Landkreis Würzburg wird knapp. Die finanzielle Situation der Kommunen ist ebenfalls dramatisch: das Defizit der Gemeinden in Deutschland summiert sich bereits auf 17,3 Miliarden Euro. (Symbolbild: Tina Göpfert)